Wir, Marianne und Daniel, begaben uns 2015 auf die Suche nach einem Ort zum Entspannen und Abschalten von der Großstadt, der aber auch Raum für kreative Entfaltung und Geselligkeit bieten sollte.

Das Gutshaus Zarchlin

Die Geschichte zum Gutshaus

Ich, Marianne, stamme aus einem 140-Seelendorf aus Niederösterreich. Ein Studium der Medienwirtschaft und ein Konzert später landete ich 2006 in Berlin. Mit den Jahren wuchs allerdings das Bedürfnis wieder mit den Händen in der Erde zu wühlen und die Großstadt mit der Kleinstadt zu teilen.

Ich, Daniel bin Architekt und komme aus Hannover. Beruflich zog es mich viele Jahre ins Ausland um schließlich in Berlin Fuss zu fassen. Meine Liebe zur Musik begleitete mich immer und der Wunsch dieser freien Ausdruck zu verleihen, wurde größer.

Mit der Zeit wuchs in uns also das Bedürfnis einen Ort des freien Entfaltens, des gesunden, nachhaltigen Wohnens und eines Miteinanders zu entwicklen. Da auch ein großzügiger Außenraum dazugehören sollte schauten wir alsbald nach Objekten über die Stadtgrenzen von Berlin hinaus. Die Seenlandschaft in Brandenburg und Mecklenburg hatte es uns angetan, und die sanft hügelige Endmoränenlandschaft im Süden Mecklenburgs insbesondere.

2017 entdeckten wir das alte Haus in Zarchlin, grau und alleingelassen, aber stolz und robust stand es auf einer ruppigen Wiese mit vielen alten Bäumen.

Im Sinne der Nachhaltigkeit suchten wir explizit nach Bestandsobjekten, wenn möglich ein Denkmalobjekt mit Geschichte und in alter Bautradition gebaut. Die Vermutung war, das Gutshäuser besonders robust, klug (durchdacht) und an guten Orten erbaut wurden. 

Also fokussierten wir unsere Suche auf Gutshäuser in oder nahe der Mecklenburgischen Seenplatte. Ebay-Kleinanzeigen sei Dank, hatte sich diese Vermutung mit dem Gutshaus in Zarchlin bestätigt

Die Bausubstanz war in der Tat gut, dazu war viel baulich Originales im Gebäude erhalten geblieben, stand es doch seit der Wende zumeist leer. 

Wir freuten uns über intakte Tragwerke, originale Dielen, sieben originale Türbekrönungen, zwei Einbauschränke, ein kleines Stück originaler Tapete und einen Brunnen, den wir nach Bodenstemmarbeiten in der ehemaligen Gutsküche entdeckten.

Also erwarben wir das geschichtsträchtige Gebäude, entrümpelten und lernten es besser kennen.

Ein Restaurator half uns dabei die Schichten unter den uns Sichtbaren zu entdecken um die Originalsubstanz Innen und Außen besser kennen zu lernen.

Natürlich wollten wir das Haus technisch auf den heutigen Standard bringen.
Die Aluminium-Stromleitungen, die (leider sehr ineffizienten) DDR-Kachelöfen und die 3 vorhandenen Abflussrohre flogen raus, PVC-Böden auf Dielen, dabei in weitem Bogen.

Neue Elektroleitungen wurden quer durchs Haus und wieder zurück geschlitzt, die nun 340 Steckdosen und 120 Lichtschalter mit Energie versorgen. 

Ein Bus-System steuert die Außenbeleuchtung und Lan-Dosen verbinden die Wohnungen via zentralem Switch konstant mit dem www. (Hier läuft der Stream besser als in Berlin Mitte.)

Der Bodenaufbau im Erdgeschoss bestand lediglich aus einer 2 cm dünnen Betonschicht auf Erdreich. Es war feucht und klamm, also mussten wir den Boden komplett neu aufbauen. Der Beton wurde ausgestemmt und anschließend etwa 40 – 60cm Erdreich ausgegraben. Dies gab uns die Chance, Abwasser-, sowie Zuwasserleitungen und Elektrik so zu verlegen, wie es am besten zu unserer Planung passte. Die Dämmung gegen das Erdreich wurde danach mit Schaumglasschotter gänzlich neu aufgebaut. Eine Heldentat der Handwerker, die über 2 Jahre lang das Rückgrat unseres Hauses hergestellt haben.

Indem wir die Bodenplatte neu aufbauen mussten, ergriffen wir die Chance eine energieeffiziente Fußbodenheizung im Gartengeschoss zu verlegen. Diese wurde an Baustahlmatten mit Kabelbinder befestigt, die sowohl als Führung der Leitungen fungierten, als auch als Beschwerung für den späteren Estricheinbau. Kostensparend haben wir den Estrich mit maximal möglichen Pigmenten eingefärbt, aufs Korn geschliffen und versiegelt. Wir freuen uns jeden Tag über die mit vielen Recherchen verbundene Eigenkreation, die nicht nur schön aussieht, aber auch im Winter warme Füsse bietet.

So haben wir uns von unten nach oben gearbeitet. Bestehende Kaminschächte wurden für Leitungsführungen verwendet, neue Schächte gebaut, stets mit Blick, möglichst wenig invasiv mit dem alten, robusten Haus in Konkurrenz zu treten.

In den oberen Geschossen haben wir glücklicherweise fast vollständig intakte, 150 Jahre alte Dielenböden vorgefunden. In Mitleidenschaft gezogene Stellen haben wir ausgebessert, in wenigen Räumen mussten alte Dielen komplett durch neue ersetzt werden. Ein regionaler Hersteller mit eigenem Wald und Sägewerk, produzierte sogar 8,20 Meter lange Dielen für uns, in der Erfahrung dass diese am Ende auf Grund logistischer Probleme leider doch vor Ort durchgeschnitten, in die Gebäude transportiert werden müssen. Leider einmal falschrum hochgetragen, fanden sie durch gemeinsame Power letztendlich doch intakt ihren Bestimmungsort.

Zwei Drittel der alten Türen fehlten, diese haben wir nach historischem Vorbild nachbauen lassen. Die Bestandstüren wurden mit Heißluft entlackt, repariert und wieder gestrichen.
Zu etwa Dreiviertel war der originale Fensterbestand noch erhalten. Durch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz und erkentnisreichen Seminare lernten wir, dass diese unbedingt erhaltenswert sind. Also wurden die historischen Fenster komplett restauriert und wie im Original mit Leinölfarbe gestrichen. Die fehlende Fenster wurden nach Vorbild des Originalbestandes nachgebaut.

Immer mehr wurde uns klar, dass wir das Gebäude soweit möglich in den Originalzustand zurückführen möchten; Erhaltenes reparieren und restaurieren, Neues wo sinnvoll in 150 Jahre alter Bautradition einfügen. Denn damals war ein Gebäude so gedacht, dass es für immer halten kann, also auch komplett reparierbar ist. Die Baumaterialien waren lokal vorhanden, ökologisch, recyclebar und auch gesund für die Bewohner.

So auch die Putze: Bauzeitlich wurden außen regionale Kalkputze verwendet, innen Kalk,- oder Lehmputze. Die zwischenzeitlich aufgebrachten Zementputze, Kreide-, und Ölanstriche oder Gipsausbesserungen haben wir aufwendig abgetragen und durch neue Kalk- oder Lehmputze ersetzt. Auf Anstriche haben wir weitestgehende verzichtet, wenn nicht, dann reine Lehm- oder Kalkfarben ohne jegliche künstliche Zusätze verwendet.

Auch die Aussenfassade wurde vollständig neu mit Kalk aufgebaut, dabei auf jegliche Messerspitze Zement verzichtet. Bevor allerdings der letzte Schliff an die Fassade kam, wurden umfassende Wiederherstellungsarbeiten durchgeführt. Die nicht originalen Hohllochziegel aller Sohlbänke, wurden mit Vollsteinen ersetzt. Das Sichtmauerwerk wurde gänzlich ausgefugt, gereinigt und in Originalfarbgebung mit neuem Fugenmörtel verfugt. An einer Stelle fanden wir noch Bestandsfugen vor, so konnte der Restaurator die Farbgebung für uns feststellen.

Die Kombination einiger noch vorhandener Stuckelemente und aussagekräftige Fotos von ehemaligen Anwohner ermöglichte uns die Bossenputze im Sockelbereich sowie die Stuckelemente um und an den Fenstern wieder herzustellen. Mehrere Monate wurden direkt an der Fassade als auch am Zugtisch Stuck vorbereitet der dann mit der letzten Schicht Feinputz das ursprüngliche Gesamtbild der Fassade wieder hergestellt.
Wir haben uns gegen einen Farbanstrich der Fassade entschieden, so war es auch im bauzeitlichen Original. Der gesamte Putzaufbau von außen nach innen ist somit diffusionsoffen und das Gebäude „atmet“ , so entstand ein sehr angenehmes Wohnklima.

Im Laufe des Bauprozesses haben wir viel gelernt und Einiges glücklicher Weise letztendlich anders ausgeführt als anfänglich gedacht.
Uns war schlichtweg die Reichweite alter Bautradition- und Handwerkskunst vorerst nicht klar. Denn diese war per se immer lokal geprägt, reparierbar, ressourcenschonend, ökologisch und nachhaltig. Wir erkannten aber auch die Wirkung purer Materialität und welch sinnliche/ warme Atmosphäre ein Sonnenstrahl an einer erdschimmernden Lehmwand erzeugt. Die einzigartige Haptik die jedem Material innewohnt wird plötzlich sichtbar.

So haben wir uns auch bei den neuen Einbauten daran orientiert, immer dem Grundmaterial des jeweiligen Einbauteils Raum zu geben. Und dank der Denkmalschutzbehörden den Rat verflogt, Neues im Haus sichtbar zeitgenössisch abzusetzen. So sind die Heizkörper – Radiatoren in den Obergeschossen in Stahl ausgeführt, auf eine farbige Beschichtung haben wir verzichtet. Wo es geht haben wir regionales Vollholz verwendet, das nur mit Leinöl mit Wachsanteil behandelt wurde. Linoleum als Naturmaterial tritt modern in Erscheinung, ebenso modern zeigen sich die neu eingebauten Duschbäder und Küchen.

Zweimal im Jahr öffnen wir das Haus für Führungen, zur Mittsommerremise, Mitte Juni und zum Tag des Offenen Denkmals, Mitte September.
Schon während der frühen Bauphase öffneten wir zum ersten Mal unser Haus. Es kamen 350 Menschen, auch aus der unmittelbaren Umgebung und mit Verbindung zum Haus. Manche waren sehr gerührt endlich „ihr Schloss“ wieder betreten zu können, andere erzählten Geschichten über ihre damalige Zeit im Haus. Es war ein freudiger Tag für alle, und wir sind glücklich, dass unsere Vorhaben gut angenommen wird.

Im Jahr 2022 durften wir uns über eine weitere tolle Bestätigung unserer Mühen freuen. Wir bekamen gemeinsam mit den Handwerksfirmen den 3. Preis des „Bundespreis für Handwerk in der Denkmalpflege“.

Unser Gutshaus erzählt die Geschichten Vieler und unser Seminar- und Gästehaus bietet nun Raum für neue Geschichten. Wir freuen uns diese kennen zu lernen.

Marianne und Daniel